Der deutsche Ableger der US-amerikanischen Online-Zeitung Huffington Post ist online – mit einem äußerst fragwürdigen Entlohnungs-Modell.
„Was ist eigentlich das Tolle an dieser Seite?“, fragt mich eine Freundin. Eine berechtige Frage, denn klickt man auf www.huffingtonpost.de sieht man vor allem eines: Große, bunte Lettern und ein Foto von Bundeskanzlerin Angela Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel. Garniert mit einem überdimensionalen Fragezeichen in rot, selbstverständlich: Das schafft Aufmerksamkeit, und genau darum geht es dem heute gestarteten Ableger der US-Internetzeitung „Huffington Post“. Als „unattraktivster und am wenigsten heimelige Ort“ bezeichnet Blogger Stefan Niggemeier die Startseite.
Arianna Huffington beim Start der HuffPo Deutschland am 10. Oktober in München
„Der Walmart des deutschen Journalismus ist an den Start gegangen“, lästert der Chef des Spiegel-Büros in Paris, Mathieu von Rohr, via Twitter. Die Häme für das Design – das wirklich „90er“ ist – ist das eine, der andere, in meinen Augen wichtigere Punkt, betrifft das Huffington-Modell: Was einst damit begann, dass die Journalistin Arianna Huffington ihre Freunde gewann, kostenlos für ihre „Post“ zu schreiben, geht in Deutschland nun weiter: Einer der ersten Blogger der „HuffPo“ ist Boris Becker.
Nix als Nonsense?
Ob sich mit der Wahl dieser Personalie die Internetseite nicht ohnehin als Windmaschine outet, ist eine andere Diskussion. Unbedingt zur Diskussion sollte die „institutionalisierte Selbstausbeutung“, wie Hans-Jürgen Jakobs im Handelsblatt schreibt, stehen: Reportagen, Berichte und Essays erfordern zumeist Recherche, Denk- und Schreibaufwand. Doch hier liefern die Autoren zum Nulltarif – entlohnt wird der Aufwand mit Reichweite. Droht Journalismus dann zu einem Hobby für Leute zu werden, die es sich leisten können, unbezahlt zu schreiben?
Richard Gutjahr, BR-Mitarbeiter und Internetexperte, bloggt zum Start der „HuffPo“ Deutschland: „Es mag radikal anmuten, für mau zu arbeiten.“ Allerdings betont er, dass gerade junge Journalisten viel von der „HuffPo“ lernen könnten – beispielsweise wie Geschäftsmodelle im Netz funktionieren Doch: „Über kurz oder lang sollte das doch das eigentliche Ziel sein, seine eigene, kleine „[Dein Name hier] Post“ zu gründen“, schreibt Gutjahr.
Leben von und mit Journalismus
Richard Gutjahr und Stefan Niggemeier, um zwei Journalisten zu nennen, die gern als Internet-self-made-man beschrieben werden, haben gut reden. Das denke ich, wenn ich ihre Blogs oder Interviews lese. Nicht vergessen sollte man bei ihnen, dass sich die beiden erst Mal in den ‚alten‘ Medien (Gutjahr beim BR, Niggemeier bei der FAZ) einen Namen gemacht haben. Und während sie ihre Blogs angeschoben haben, also kein Geld damit verdient haben, hatten sie andere Jobs, die ihnen eben genau das ermöglicht haben.
Für mich ist Journalismus kein Ehrenamt, sondern ein Beruf. Ich versuche gut zu arbeiten und dafür möchte ich – wie im Übrigen jeder Elektriker, jede Ingenieurin – bezahlt werden. Egal, ob ich für Online, Radio, Fernsehen oder eine Zeitung arbeite.